Stiftung Chance für das kritisch kranke Kind

Kunst hilft heilen

Der Nutzen der Kunst- und Ausdruckstherapie ist (noch) nicht wissenschaftlich belegt. Dass Kreativität kranken Kindern helfen kann, ihre eigenen Heilungskräfte zu mobilisieren, davon sind Fachleute jedoch längst überzeugt. Die Kunst- und Ausdruckstherapie am Kinderspital Zürich wird durch die Stiftung Chance und die Fondation Art-Therapie finanziell ermöglicht.

Was nehmen kritisch kranke Kinder, die längere Zeit im Kinderspital behandelt wurden, mit bei ihrer Entlassung? Ihre Erinnerungen an Schmerzen, an Angst, an fremde Menschen in einer fremden Welt fern von zu Hause? Erinnerungen, die sie wohl möglichst schnell vergessen möchten. Was noch dabei ist, sind vielleicht Zeichnungen, selbst hergestellte Objekte, Collagen und damit Erinnerungen an Therapiestunden, welche die Kinderseele entlasteten. Denn oft, so schildern die drei Therapeutinnen, welche am Kinderspital Zürich für die Kunst- und Ausdruckstherapie zuständig sind, zeigten die Arbeiten eines Kindes eine ganz erstaunliche Auseinandersetzung mit seiner Krankheit. Häufig sind es berührende Momentaufnahmen der bedrohlichen Situation, der Ängste, aber auch der Hoffnungen.

Kinder und ihre Gefühle

Kindern fehlen oft die Worte, um ihre Gefühle auszudrücken. Als probates Ventil dient daher die Kunst- und Ausdruckstherapie. Unter therapeutischer Anleitung, beim Malen, dreidimensionalen Gestalten, aber auch beim Rollenspiel finden kritisch kranke Kinder einen Zugang zu den Vorgängen um sie herum und zu den Gefühlen, die sie in ihrem Innersten beschäftigen. Sie bringen auf ihre Art «zu Papier», wie es um sie steht. Kunst- und Ausdruckstherapie ist deshalb weit mehr als die nette Malstunde, welche Unterhaltung in den Spitalalltag bringt. Der Schwerpunkt liegt klar auf dem therapeutischen Nutzen. Entsprechend sind die Mitarbeiterinnen auch ausgebildet. Ihre Aufgabe ist es, während der Sitzungen «an der Seite» der Kinder zu bleiben. Sie schreiben nichts vor, nehmen aber Hinweise wahr und leiten die Kinder an, mit den Dingen in Kontakt zu kommen, die sie bewegen. Die Kinder sind sich dabei meist selbst nicht bewusst, was sie beispielsweise in ihren Zeichnungen «ansprechen» und «ausdrücken».

Kunst, Maltherapie

Warten auf ein neues Herz

Die Zeichnungen und Arbeiten von Rachela sind ein berührendes Bespiel für die Gedankenwelt eines Kindes, dass sich mit seiner schweren Erkrankung auseinandersetzen und während einer bangen Wartezeit auf ein neues Herz hoffen musste. Ein erstes Bild zeigte ein Herz, gemalt in dunklen Farbtönen. Eine auf dem Bild angebrachte Schnur mit geduldig aufgereihten Glasperlen schien eine verblüffend exakte Analyse der Situation zu sein: Mein Herz ist krank. Ich brauche Geduld, bis ein neues gefunden wird. Bei einem späteren Termin zeichnete Rachela Tiere. Auf die Frage der Ausdruckstherapeutin Beatrice Länzlinger begann Rachela über die Arche Noah zu sprechen. Ein wohl unbewusster Hinweis auf die Chance und die Hoffnung des Überlebens. Kurz nach der Operation und vor dem Austritt aus dem Kinderspital bastelte Rachela schliesslich ein Herz – in kräftiger, roter Farbe.

Kunst- und Ausdruckstherapie auch für Geschwister

Auch Geschwister können am Kinderspital Zürich in den Genuss der Kunst- und Ausdruckstherapie kommen. Rachelas jüngerer Bruder Nino machte sich grosse Sorgen um seine Schwester. Der Kindergärtler musste lernen, dass seine Schwester Ruhe brauchte, dass sich in der Familie vieles um ihr Wohl drehte und er öfter einmal zurückzustecken hatte. In der Kunst- und Ausdruckstherapie, die er gemeinsam mit Rachela besuchte, zeigte sich, wie fürsorglich er sich seiner Schwester gegenüber verhielt. Dabei ist Nino ein Energiebündel! Als er von Beatrice Länzlinger «die Erlaubnis» erhielt, auch einmal laut zu sein, war das für ihn wie eine Befreiung.

Musik für die Jüngsten

Für Kinder, die zu klein oder zu krank sind, um zu malen oder sich in einem Rollenspiel auszudrücken, ist Musiktherapie das Mittel der Wahl. Zum Einsatz kommen Instrumente wie Klangschale und Monochord, aber auch die Stimmen der Therapeutinnen. Zu Beginn einer Therapiesitzung orientiert sich Tanja Onorato über die Bedürfnisse der jüngsten Patientinnen und Patienten, indem sie auf deren Atemrhythmus hört. Töne, Geräusche und Melodien sprechen den unbewussten Anteil im Dasein dieser kleinsten Patientinnen und Patienten an. Dadurch lösen sich Anspannungen, wird von Schmerzen und Angst abgelenkt. Mit den Klängen, welche Geborgenheit vermitteln, kann das Kind in eine andere Welt eintauchen und auf diese Weise beruhigt einschlafen.

Daneben gibt es Kinder, welche durch die Musiktherapie angeregt und aktiviert werden sollen. Hier gilt es ihre Neugierde zu wecken, sie aus apathischen Momenten herauszuholen, sie reagieren zu lassen, um Heilungs- oder Entwicklungsprozesse zu fördern. Beglückend für viele schwer behinderte Kinder ist es, wenn es ihnen beispielsweise gelingt, auf einem der Instrumente selbst Töne zu produzieren. Nicht zuletzt hat die Musiktherapie für Eltern, die dabei sind und zuhören, beruhigende Wirkung. Und schon der kunterbunte Wagen, auf dem die Therapeutinnen Malzubehör und Instrumente auf die Station schieben, die vom medizinisch nüchternen Alltag geprägt ist, schickt schon einen frischen Hoffnungsschimmer ins Zimmer.

Vom Nutzen

Die Kunst- und Ausdruckstherapie am Kinderspital Zürich wird hauptsächlich Kindern und Jugendlichen mit akuten und chronischen körperlichen Erkrankungen angeboten, die mehrheitlich auf den Intensivstationen hospitalisiert sind. Mediziner und Pflegende sind sich einig, dass die Kunst- und Ausdruckstherapie wertvoll ist für die oft kritisch kranken Kinder, insbesondere, wenn sie längere Zeit eine Behandlung brauchen und im Kinderspital bleiben müssen. Kunst- und Ausdruckstherapie zu der Zeichnen, Malen, dreidimensionales Gestalten, Modellieren, aber auch Musizieren und Rollenspiele gehören sind unverzichtbar für eine ganzheitliche Betreuung von Kindern. Das schöpferische Tun bringt die Patienten mit ihren eigenen Ressourcen in Kontakt und stärkt ihr Selbstvertrauen. Säuglingen auf der Neonatologie, die noch nicht selbst kreativ sind, dient sie der Entspannung, so dass die Kinder ruhiger werden, besser schlafen und sich beispielsweise ihre Atmung verbessert.

Fondation Art-Therapie

Die Kunst- und Ausdruckstherapie wurde 1999 von Charlotte Leber initiiert und durch einen Fond der Bank BNP Parisbas langjährig unterstützt. 2008 entstand die Fondation Art-Therapie in Genf, durch welche das Engagement der Bank fortgesetzt und ausgebaut werden konnte. Stiftungsgründerin Charlotte Leber ist es zu verdanken, dass die Kunst- und Ausdruckstherapie heute ein fester Bestandteil im Schweizer Kinderklinikalltag ist. Der Anwendungsbereich dieser Therapieform wird immer grösser und sowohl auf der Neonatologie als auch in der Behandlung von Jugendlichen eingesetzt.



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