Stiftung Chance für das kritisch kranke Kind

Ben hatte einen Schwarm von Schutzengeln

Der kleine Ben wurde vom Team der Baby-Ambulanz gerettet. Die Stiftung Chance hat die fahrende Intensivstation für Früh- und Neugeborene finanziert.

Nach einer «Superschwangerschaft» spürt Stefanie sechs Wochen vor dem Termin nachts leichte Bauchschmerzen. Weil man als werdende Mutter ja nichts falsch machen will, meldet sie sich bei Medgate, wo man ihr rät, zur Sicherheit doch kurz im Spital vorbeizuschauen. Stefanie und Robin trinken Kaffee, essen einen Gipfel und brausen dann auf dem Roller ins Triemlispital. Es ist sechs Uhr morgens, beide wollen anschliessend gleich zur Arbeit. Bei der Untersuchung im Triemli stellt sich überraschend heraus, dass bei Stefanie nur noch wenig Fruchtwasser vorhanden ist. Die Hebamme hat routinemässig den Wehenmesser angelegt. Der schlägt überraschend Alarm. Die Herztöne des kleinen Ben im Mutterleib sind plötzlich viel zu langsam, kaum mehr zu hören.

Jetzt geht alles sehr schnell und komplett anders als geplant. Stefanie und Robin, beide Chefs von hippen Restaurants im Zürcher Trendquartier, gehen heute nicht arbeiten. Sie werden Eltern. Sechs Wochen vor dem Termin. Notfallmässig. Per Kaiserschnitt. Sofort! Stefanie bekommt eine Vollnarkose. Um acht Uhr und fünfzehn Minuten wird ihr Sohn Ben geboren. Der Kleine muss sofort reanimiert werden. Stefanie, kaum aus der Narkose erwacht, und Robin werden überfahren von widersprüchlichen Gefühlen – grosse Freude, gleichzeitig grösste Sorgen und Angst um den frühgeborenen, winzigen Sohn, dessen Leben an einem seidenen Faden hängt.

Kaum ist Ben da, steht das Team des Kinderspitals Zürich bereit. Es ist mit der Baby-Ambulanz angefahren. Die Notfallärztin hat sich auf der Fahrt informiert. Sie und ihr Team sind gekommen, um den kleinen Patienten zu übernehmen und auf die Intensivstation des Kinderspitals zu begleiten. Im Triemli kämpft man aber noch darum, Ben für die Fahrt zu stabilisieren. Atmung und Kreislauf versagen immer wieder. Erstmals steht die bange Frage im Raum, wie lange Ben ohne Sauerstoff war? Welche Schäden konnte der Sauerstoffmangel an seinem Gehirn, seinem winzigen Körperchen anrichten?

Endlich stabil genug für den Transport wird Ben in die Baby-Ambulanz gebracht. Die rollende Intensivstation, eine der modernsten ihrer Art selbst für kleinste Patientinnen und Patienten, bringt ihn ins Kispi. Ben ist intubiert, verkabelt, überwacht. Seine Atmung setzt immer wieder aus. Sein Kreislauf versagt, muss wieder angeregt werden. Er wird über die Sonde ernährt. Zwei Tage lang ist Ben schon auf der Intensivstation. Sein Zustand nach wie vor äusserst kritisch. Robin ist fast ständig bei ihm im Kinderspital. Verzweifelt, seinen kleinen Sohn so hilflos im Bettchen zu sehen. Die Grosseltern sind zur Stelle. Stefanie ignoriert ihre eigene körperliche Verfassung. Voller Angst eilt sie schon wenige Stunden nach dem Kaiserschnitt ins Kinderspital. Niemand weiss, ob Ben überlebt. Eltern und Familie, aber auch die Mitarbeitenden der IPS bangen um das Leben des Kleinen. Am dritten Tag stabilisiert sich Bens Kreislauf. Ein wenig, dann immer länger. Und dann: Ben kann alleine atmen! Ein Glück, denn viel länger hätte die künstliche Beatmung nicht aufrechterhalten werden können. Der Kleine hat die wichtigste Hürde geschafft.

Ben hatte einen Schwarm von Schutzengeln

Ben hat überlebt. Die Frage ist jetzt, wie? Obwohl Robin und Stefanie erleichtert sind, wissen sie nicht, was sie erwartet. Wie stark wurde Bens Gehirn geschädigt in der Zeit, in der er im Mutterleib zu wenig Schauerstoff hatte? Die Eltern rechnen damit, dass ihr Sohn eine oder mehrere schwere Behinderungen hat. Ist er sogar schwerstbehindert? Bei Stefanie hatte sich, eine Seltenheit, die Plazenta abgelöst. Diese war entsprechend nicht mehr in der Lage, Ben mit Sauerstoff zu versorgen. Noch kann niemand etwas Genaues sagen. Die Eltern machen sich mit den Szenarien vertraut. Ben könnte seine Arme und Beine nicht bewegen können, nicht gehen, sich nicht aufrechthalten können. Das Gehirn könnte geschädigt sein. Er könnte nicht reden können, blind sein, könnte unter epileptischen Anfällen leiden. Ein breites Spektrum, jede einzelne Variante der Ausgangspunkt für ein völlig anderes Leben, als sie es sich mit einem gesunden Kind ausgemalt hatten.

Und es kommt wieder anders. Ben ist kerngesund. 8 Monate nach den schwierigen Umständen bei seiner Geburt ist er ein freundlich strahlender kleiner Junge mit klaren blauen Augen, der hört, sieht, mit Armen und Beinen zappelt und gerade intensiv das Stehen trainiert. Er unterscheidet sich in nichts von anderen gesunden Babys. Verschiedene Tests haben ergeben, dass er sich genau so entwickelt, wie es seinem Alter entspricht.

Ben hat sich in den sieben Tagen, die er nach seiner Geburt auf der IPS im Kinderspital Zürich verbrachte, mit Riesenschritten entwickelt. Auch zu einem Liebling des Teams. Nach dem  Aufenthalt auf der IPS fährt Ben wieder mit der Baby-Ambulanz. Diesmal geht es zurück ins Triemlispital. Drei Wochen nach seiner Geburt wird Ben nach Hause entlassen. Seine Atmung leistet sich keine Aussetzer mehr. Sein Kreislauf läuft rund. Ben trinkt von der Flasche. Und so heisst es für Stefanie und Robin von einem Tag auf den anderen, dass sie ihren kleinen Buben mit nach Hause nehmen können. Diesmal eine schöne Überraschung.

Die schlimmen Stunden liegen weit hinter Robin und Stefanie. Trotzdem geht ihnen durch den Kopf, wie viel Glück Ben hatte. Was wäre gewesen, wenn Stefanie die leichten Schmerzen einfach ignoriert hätte? Wenn sich die Plazenta nicht genau dann abgelöst hätte, als der Wehenschreiber angeschlossen war. Wenn nicht die 34 Schwangerschaftswoche erreicht gewesen wäre? Wenn sie nicht zu Hause, sondern wie in der Woche zuvor im hintersten Kandertal gewesen wären? Wenn Ben nicht so rasch und reibungslos auf die IPS hätte verlegt werden können? Ein ganzer Schwarm von Schutzengeln, ein Team von Ärztinnen, Hebammen und Pflegenden beider Spitäler hat zusammengearbeitet, um Bens holprigen Start ins Leben abzufedern.




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